Sozialarbeiterische Stellungnahme zu der Forderung des Tübinger OB Boris Palmer zu einem „Informationsaustausch“ zwischen Flüchtlingssozialarbeit und Sicherheitsbehörden
Eine Positionierung des Netzwerk Rassismuskritische Migrationspädagogik[1]
Mai 2021
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich schriftlich an Bundesinnenminister Horst Seehofer gewandt und darum gebeten, eine Gesetzesgrundlage für einen erweiterten Datenaustausch zwischen Sozialarbeiter*innen, Ausländerbehörden und Polizei zu schaffen.
Bereits im Jahr 2019 hat die Universitätsstadt Tübingen auf Initiative von OB Boris Palmer einen sogenannten „strukturierten Informationsaustausch“ eingeführt, wobei Meldungen zu „Auffälligkeit“ von Sozialarbeiter*innen, Polizei und weiteren Behörden zusammenfließen sollten. „Auffällige Geflüchtete“ sollten in Tübingen dann direkt in einer „Sonderunterkunft“ untergebracht werden. Dies wurde zunächst als Strafmaßnahme, später mit dem Schutz der Mitarbeitenden und auch mit dem „Schutz der Bevölkerung“ begründet. Ähnliche „Sonderunterkünfte“ hatte er davor schon für das Land Baden-Württemberg gefordert, was von den zuständigen Verantwortlichen abgelehnt wurde.
Der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg Stefan Brink erklärte das Vorgehen der Stadt Tübingen nach einem längeren öffentlichen Streit als rechtswidrig und verbot es. Daraufhin musste die Stadt Tübingen von dieser Praxis Abstand nehmen. OB Boris Palmer will nun auf politischen Weg eine gesetzliche Grundlage für den strukturierten Informationsaustausch schaffen. Auch der baden-württembergische Innenminister Strobl unterstützt diese Initiative in Richtung Bundespolitik.
Da offenbar diese Initiative aktuell dort nicht weiterverfolgt wird, sehen wir aktuell von einer öffentlichen Diskussion zu diesem Thema ab, wollen die Überlegungen aber gerne auf diesem Weg teilen:
[1] Der Stellungnahme liegt eine Expertise von Julian Staiger zu Grunde. Julian Staiger arbeitet seit 2013 als Sozialarbeiter im Themenfeld „Soziale Arbeit mit Geflüchteten“, derzeit als Fachkraft Vermittlung bei „Zusammenleben Willkommen“
Die Vorbemerkung zur Ambivalenz Sozialer Arbeit hat Prof. Dr. Barbara Stauber, Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen verfasst.