Dem dominanten Diskurs etwas entgegensetzen. Das genau ist es, was uns an der Idee des Fonds für Bewegungsfreiheit von medico international und borderline.europe fasziniert. Bereits im letzten Jahr ist medico international dies mit der „Gala zur festlichen Ehrung von Europas Schleppern und Schleuser“ gelungen. Ich erinnere mich noch gut an meine eigene erste Reaktion. Kann das sein, da werden Schlepper gefeiert? Sind das nicht die, die schmutziges Geld mit der Not von anderen Menschen verdienen? Ja, die gibt es auch, aber dies ist eben nur eine Perspektive. Eine andere Perspektive ist, dass es ohne Hilfe von Profis überhaupt nicht mehr möglich ist, nach Europa zu migrieren. Eine andere Perspektive ist, dass viele von denen, die als Schlepper ohne ein angemessenes Verfahren zu absurd hohen Haftstrafen verurteilt werden, nichts anderes gemacht haben, als ein Schiff zu lenken, auf dem sie selbst Europa erreichen wollten oder ein Auto zu fahren, in dem neben ihnen noch andere Geflüchtete saßen. Und der rechte dominante Diskurs hat es geschafft, dass es eben das einzige Narrativ ist. Mein kurzes Zögern ist nicht mehr und nicht weniger als ein Zeichen, wie dieses Narrativ schon begonnen hat, auch meinen Kopf zu infiltrieren.
Es ist uns daher eine Ehre, gemeinsam mit medico international und borderline.europe den Schwerpunkt dieses Newsletters zu gestalten. Dafür an dieser Stelle ein großes Dankeschön.
Und wir sind sehr gerne Kooperationspartner bei einer Benefiz- und Protestveranstaltung, die die Tübinger Gruppe von medico am 12.11.2024 in Tübingen durchführt. Sie kann auch über Stream verfolgt werden (https://www.medico.de/termin/2024-11-12/das-recht-auf-bewegungsfreiheit-verteidigen-685). Wie der Schwerpunkt dieses Newsletters versucht die Veranstaltung diese Verbindung herzustellen von einer Kritik des Migrationsdiskurses über die Kriminalisierung der Geflüchteten hin zur konkreten Solidarität.
Das Ziel des „Fonds für Bewegungsfreiheit“ ist eben auch sehr konkret, Geld zu sammeln für die Unterstützung der Verteidigung der Bewegungsfreiheit. Wie wertvoll dies sein kann, zeigt der Fall von Mahtab Sabetara, über deren Kampagne für ihren in Griechenland als Schlepper inhaftierten Vater Homayoun Sabetara wir hier berichtet haben. Er konnte nach der Berufungsverhandlung endlich das Gefängnis verlassen. Ohne Solidarität wäre dies nicht möglich gewesen.
Noch auf eine andere Auswirkung der aktuellen Rechtsverschiebung des Diskurses möchten wir hier hinweisen. Das Landesantidiskriminierungsgesetz in Baden-Württemberg war von der grün-schwarzen Landesregierung fast schon entschieden. Dann wurde von Kommunalverbänden und anderen Lobbygruppen der fast skandalös falsche Vorwurf in die Welt gesetzt, das Gesetz sei ein „Bürokratiemonster“. Presse und politische Parteien übernehmen ungeprüft dieses populistische Narrativ. Die zivilgesellschaftlichen Gruppen kommen mit ihren Argumenten kaum mehr durch. Denn selbst bei den Grünen heißt es nun immer mehr, dass das Gesetz nicht mehr in die Zeit passt. Was heißt dies? Mit der Umsetzung von Menschenrechten, mit Diskriminierungsschutz, mit dem Einsatz für Minderheiten lassen sich – so die Erzählung – heute keine Wahlen gewinnen. Doch noch ist die Geschichte nicht zu Ende erzählt. Am Donnerstag dieser Woche hat das Bündnis für eine LADG zu einer Online-Veranstaltung eingeladen (www.ladg.jetzt). In der Hoffnung hier doch noch etwas zu bewegen.
Mehr Information und viele weitere Beiträge finden Sie wie immer in diesem Newsletter.
Liebe Grüße
Andreas Foitzik
Download 45. Newsletter „Rassismuskritische Migrationspädagogik“ – Oktober 2024:
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Das Netzwerk Rassismuskritische Migrationspädagogik Baden-Württemberg versteht sich als Forum von Menschen aus den Feldern Soziale Arbeit, Schule, Bildung/Weiterbildung, Hochschule sowie angrenzenden Professionen, die sich fachlich und (fach-)politisch in den Feldern Soziale Arbeit, Schule, Weiterbildung – und auch darüber hinaus – einmischen und dort Rassismus selbststärkend, reflexiv-kritisch und wenn nötig auch skandalisierend zum Thema machen.
Das Netzwerk informiert mit diesem Newsletter Interessierte in Abständen von circa zwei Monaten über aktuelle Entwicklungen, Veranstaltungen und Publikationen in den Feldern der Rassismuskritik und Migrationspädagogik. Der Newsletter erreicht bundesweit über 2300 Adressen und wird weitgehend ehrenamtlich erstellt. Die Auswahl der Beiträge lebt auch von den Empfehlungen (info@rassismuskritik-bw.de), die bei uns eingehen, und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Redaktion: Andreas Foitzik, Sabine Pester und Axel Pohl |