In eigener Sache: Dies ist der letzte Newsletter, den wir mit Förderung des Landes Baden-Württemberg erstellen. Die dreijährige Förderung des inzwischen vom Sozialministerium „übernommenen“ Integrationsministeriums läuft Ende des Monats aus. Wir haben dieses Geld genutzt, unser bis dahin sehr informelles Netzwerk etwas mehr zu institutionalisieren. Wo stehen wir heute und wie geht es weiter?
Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss von Menschen, die auf der Grundlage einer gemeinsamen fachlichen Haltung ihre pädagogische Praxis reflektieren, sich selbst weiter qualifizieren und sich in die politischen (fach-)öffentlichen Diskussionen einbringen wollen.
Um dies zu erreichen, haben wir mit verschiedenen Formaten gearbeitet. Mit dem Aufruf „Gegen institutionellen Rassismus“, in dem wir uns als Pädagog*innen für eine vollständige Aufklärung des NSU-Komplexes eingesetzt haben. In diesem Kontext haben wir im Stuttgarter Rathaus ein Hearing veranstaltet. Neben der öffentlichen Wirkung war gleichzeitig ein Ziel, das Bewusstsein innerhalb der Sozialen Arbeit und Pädagogik für institutionellen Rassismus zu schärfen.
Wir haben für die Mitglieder des Netzwerkes eine mehrmodulige Weiterbildung mit den Autor*innen der „Migrationspädagogik“ organisiert, in der wir ausgehend von je einem Kapitel an konkreten Praxisfällen gearbeitet haben.
Wir haben in diesem Jahr nur drei Wochen nach der Kölner Silvesternacht eine Veranstaltung organisiert, es kamen 300 Leute, die alle begierig waren, Argumentationshilfen gegen die migrationsfeindliche Berichterstattung zu bekommen.
Vor zwei Wochen hatten wir mit Nivedita Prasad eine öffentliche Veranstaltung zu einer menschenrechtlich inspirierten Idee Sozialer Arbeit am Beispiel der Arbeit im Bereich Flucht. Am darauffolgenden Tag konnten wir im netzwerkinternen Kreis mit der Referentin weiterarbeiten und haben verschiedene Ideen entwickelt, wie wir an diesem Thema weitermachen wollen.
Aus der Tübinger Regionalgruppe ist die Idee entstanden, im Format eines Erklärvideos die Unterstützungsarbeit mit Geflüchteten zu reflektieren. Darüber hinaus es gab eine Anfrage von Vertreter*innen freier Träger und der Stadt, dass wir als Netzwerk einen Reflexionsraum zum Thema Flucht mitgestalten, in dem wir nun regelmäßig, möglichst ohne institutionelle Zwänge, versuchen, die eigene Arbeit mit Geflüchteten zu reflektieren und in einen politischen Kontext zu stellen.
Eine kontinuierliche Arbeit scheint am ehesten in lokalen Gruppen möglich, da funktionieren jedoch bisher nur wenige konstant.
Mit den Projektgeldern haben wir vor allem unseren Webauftritt und diesen Newsletter weiterentwickelt. Unser Newsletter wird mittlerweile bundesweit gelesen und hat über 900 Abonnent*innen.
Wie geht es nun weiter? Wir haben Pläne, einen regelmäßigen Blog und einen Referent*innen -Pool aufzubauen, doch dafür fehlen uns zunächst die Gelder. Wir denken über „Mitgliedsbeiträge“ nach und werden auch auf die Newsletter-Leser*innen mit einer Bitte um Spenden zugehen.
Parallel dazu werden wir uns nach neuen Finanzierungsquellen umsehen und Kooperationen mit bestehenden Projekten eingehen.
Nun noch eine Anmerkung zum letzten Editorial zum Thema Gleichheit und Gerechtigkeit, Umgang mit Heterogenität und Normalisierungsdiskursen am Beispiel der Olympischen Spiele. Wir haben dafür viel Zuspruch bekommen, aber auch eine harsche Kritik, dass der kurze Text „nämlich genauso viele Klischees aufwärmt und verbreitet, wie er anprangert“. Auszüge dieser Kritik dokumentieren wir hier:
- warum die „angebliche Intersexualität“ Caster Semenyas? Caster Semenya hat einen stark erhöhte Testosteronspiegel und evtl. auch keine Gebärmutter. Die Frage ist doch nicht, ob sie intersexuell ist oder nicht (das stellt sie wohl nicht einmal selbst in Abrede und andere Untersexuelle identifizieren sich auch mich ihr), sondern ob ihre Intersexualität wirklich einen „unfairen“ Vorteil gegenüber anderen weiblichen Sportlern darstellt, der es erlaubt Caster Semenya von sportlichen Wettkämpfen auszuschließen. (Ich denke nein, sonst gehen Phelps Füsse auch nicht).
- warum dieser merkwürdiger Gegensatz zwischen westlichen Sportlern mit bester Ausstattung und optimalen Trainingsbedingungen und irgendwelchen anderen, die nichts haben als staubige Felder und Armut. Auch in Afrika gibt es inzwischen Trainingszentren, Turnschuhe, Stadien, und Ernährungsberater. Und Simon Biles (USA) wurde als Kind bestimmt nicht luxusausgestattet im Auto zu irgendwelchen Trainern kutschiert.
- ganz ehrlich weiß ich auch nicht, was der Satz mit den Dopingsündern soll, als ob es die nicht überall gäbe, als ob man außerhalb des Westens zu doof zum Dopen wäre (..). Und: ziemlich viele weibliche Athleten müssen auch hier nebenher für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Ein bisschen arg simpel der Gegensatz, den ihr da aufmacht.
Diese Kritik nehmen wir an.
Wir hoffen, mit diesem Newsletter wieder interessante Infos für Sie/euch aufbereitet zu haben.
Sabine Pester und Andreas Foitzik
13. Newsletter „Rassismuskritische Migrationspädagogik“ – Oktober 2016:
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